Klause

Es ist keine Kunst, das zu achten, was Du für Deinesgleichen hälst.

Die Kunst besteht darin, auch das zu achten und zu respektieren, was anders ist als Du.

Es ist so schön,
ein Arschloch zu sein

Bekenntnisse eines unbekannten Egomanen

von

f. s. montanus

Fassung vom 27. Juni 2018

Heutzutage ist es verpönt, immer nur an den eigenen Vorteil zu denken. Egoisten sind nicht gerne gesehen. Aber mir ist das egal. Ich denke zu allererst an mich, dann kommt lange nichts. Offen würde ich das freilich nie zugeben. Nach außen würde ich das nie zeigen. Nach außen gebe ich mich zuvorkommend, kollegial und freundlich. Aber eines ist völlig klar: bei allem, was ich tue, berechne ich den Nutzen für mich. Ich habe meinen Nutzen immer im Blick. Mir ist das schon so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich das manchmal selber nicht bemerke. Aber es ist so. Denn wenn ich auch nach außen wie ein guter Nachbar, Kollege oder Familienvater wirke, in Wirklichkeit bin ich das, was man mit Fug und Recht ein selbstsüchtiges Arschloch nennen könnte. Und ich bin stolz darauf, genau das zu sein. Das ist der einzige Weg, auf dem man es zu etwas bringt. Es ist die einzig richtige Art zu leben.

Die Welt gehört uns, den Arschlöchern. Denn wir wissen, was wir wollen, und meistens kriegen wir es auch. In der Regel sind wir es, die im Leben Oberwasser haben. Abwärts geht es für unsereiner selten.

Natürlich gibt es auch Arschlöcher, die gar nicht wissen, dass sie Arschlöcher sind. Zwar wird es heutzutage nicht gerne gesehen, wenn jemand auf den eigenen Vorteil bedacht ist, aber tatsächlich leben die meisten Leute genau auf diese Weise, nämlich zu ihrem eigenen Nutzen und zum Schaden anderer. Und obwohl sie egoistische Arschlöcher sind, halten sich viele von ihnen allen Ernstes für gute Menschen. Ja, man kann es fast nicht glauben, aber es ist so. Diese Leute reden sich tatsächlich ein, sie wären feine Menschen. Sie sind nicht weniger selbstsüchtig als ich, aber sie schieben das ganz weit von sich. Es ist ein riesiger Selbstbetrug. Ich finde, es gibt nichts Lächerlicheres als solche Leute. Was sind das für Egoisten, die sich selbst belügen? Sich selbst belügt man nicht. Andere, klar, die belügt man, wenn's einen Nutzen bringt. Aber sich selbst? Das ist doch das Letzte.

Es gibt auch Arschlöcher, die nach außen zeigen, dass sie Arschlöcher sind. Die keinen Hehl daraus machen, dass es ihnen nur um sich selbst geht. Aber eigentlich ist das dumm. Denn in einer Gesellschaft, die den Egoismus zumindest nach außen nicht besonders gerne sieht, schaden sich solche Leute am Ende selbst. Ihr Erfolg wäre noch größer, wenn sie ihr Arschlochsein mehr im Verborgenen betreiben würden. So gibt es denn auch viele kluge Leute in höheren Positionen, die das wissen und die ganz geschickt den Nutzen für das Unternehmen, die Anleger oder die Notwendigkeit von Sachzwängen betonen, wenn es etwa darum geht, harte Einschnitte für die Belegschaft zu verkaufen. Sie nehmen sich selbst scheinbar zurück. Doch warum sollten sie die Interessen anderer vertreten? Tun sie das ganz selbstlos? Nein, das tun sie natürlich nicht. Sie profitieren selbst davon, und das nicht zu knapp. Dass andere über die Klinge springen müssen, nehmen sie dabei ganz bedenkenlos in Kauf.

Denn Arschlöcher haben es leichter, wenn sie sich an die halten, die über mehr Macht verfügen als sie selbst. Man muss schon wissen, wo der eigene Vorteil zu finden ist, und wo nicht. Die Vorgesetzten oder die Geldgeber sind es, die man sich warm halten muss. Deren Interessen muss man vertreten, ihnen gegenüber muss man sich loyal zeigen, dann wird man auch selbst gefördert und protegiert. Ihnen zu nützen ist der beste Eigennutz. Ein solches Wohlverhalten ist die Eintrittskarte in den Club der Oberen, das Ticket für den Aufzug, der nach oben fährt.

Die Kollegen sind dagegen nicht so wichtig. Deshalb habe ich auch kein Problem damit, auch mal einen Kollegen fertig zu machen, wenn's sein muss. Wenn einer meine Pläne stört, wenn einer im Weg steht, dann muss er eben weichen. Und das Schöne ist: da kann einem gar nichts passieren. Man kann mit Mobbing, wenn man es nicht ganz plump und dumm anstellt, nur gewinnen. Die deutsche Justiz ist gegenüber Mobbing wie ein zahnloser Tiger. Da kann man wirklich nur lachen. Ich habe schon einige über die Klinge springen lassen, um ein Stückchen weiter nach oben zu kommen, oder um meine Position zu festigen, oder einfach nur aus einer Laune heraus. Keiner konnte mir deswegen etwas wollen.

Das ist das Schöne am Arschlochsein: wenn man sich nicht ganz blöd anstellt, führt der Weg nur nach oben.

Bekanntlich sagt die Biologie, die Menschen wären eine Art von Affen. Ich glaube, da hat sie wirklich recht. Wir sind tatsächlich nichts anderes als Affen. Es gibt den fürsorglichen Affen, der sich um andere kümmert. Das sind die Looser. Die werden es nie nach oben schaffen. Es gibt aber auch den rücksichtslosen Affen, der selbstsüchtig versucht, seinen eigenen Nutzen zu mehren, der die Hierarchieleiter nach oben klettert, um irgendwann einmal zum Oberaffen zu werden. Das sind die, die den Gewinn nach Hause tragen. Ich bin einer von der zweiten Sorte. Denn die haben das Sagen und bestimmen, wo es lang geht.

Manche denken vielleicht, es gäbe eine Art höhere Gerechtigkeit, die Arschlöcher wie mich irgendwann einmal ihre gerechte Strafe ereilen lässt. Da kann ich nur herzlich lachen. Es gibt keinen größeren Unsinn. Dem Universum ist es völlig egal, was die Menschen auf der Erde treiben. Dort draußen gibt es nur Atome und Moleküle, Sterne und Galaxien, und die kennen keine Gerechtigkeit. Also vergesst es! Es gibt sie nicht, die vielbeschworene höhere Gerechtigkeit. Es gibt nur eine Macht, die für Gerechtigkeit sorgen könnte, die dem Treiben von uns Arschlöchern Einhalt gebieten könnte. Und das sind die Menschen. Nur die Menschen haben die Macht dazu. Nur sie können Gerechtigkeit schaffen. Nur sie können meine selbstsüchtigen Machenschaften unterbinden. Nur sie können mich in meine Schranken verweisen. Doch zum Glück brauche ich davor keine Angst zu haben. Die meisten Leute sind dumm und wissen nichts von ihrer Macht. Außerdem können sie ein Arschloch, das sich hinter der Maske eines freundlichen Zeitgenossen versteckt, noch nicht einmal erkennen, wenn es breit grinsend vor ihnen steht. Und die anderen, die nicht dumm sind? Die sind überwiegend Arschlöcher wie ich. Uns gehört die Welt. Und so wird es auch immer bleiben.

(Dem Präsidenten einer befreundeten Nation, einem deutschen Politiker und Frau Z. gewidmet.)

Dieser Text stammt aus dem Zyklus „Surviving of the Fittest — Lobreden auf den Darwinismus“.